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Das Mitmach Computermuseum in Offenbach

Die Geburt des Graphic-Adventures

DRP e.V. für ein Museum der digitalen Kultur im Rhein-Main-Gebiet. Das Mitmach Computermuseum in Offenbach.

Die Geburt des Graphic-Adventures

In den letzten Jahren hat sich ein Spielegenre, das seit Ende der Neunziger fast ausgestorben war, wieder einen kleinen Marktanteil erkämpft: Das „klassische“ Grafikadventure.

Und was viele nicht wissen: Das erste Grafikadventure verdanken wir einer Frau!

Die Pioniere der Spielegattung sind ein Ehepaar aus Kalifornien, Ken Williams und seine Frau Roberta. Sie ist die Geschichtenerzählerin, hat die Spiele designed und er hat diese Geschichten programmtechnisch umgesetzt.

Ende der 1970er Jahre plante Ken Williams, der als Programmierer bei IBM arbeitet, ein eigenes Unternehmen für Unternehmenssoftware für den Apple II zu gründen. Eines Tages bringt er ein Fernschreiber-Terminal mit nach Hause, um an der Entwicklung eines Buchhaltungsprogramms zu arbeiten. Durch Zufall entdeckt er das „Colossal Cave Adventure“ – eines der ersten Textadventure, welches zunächst auf Großrechnern (PDP-10) lief. Seiner Frau gefällt das Spiel sehr gut und es wird konsequent durchgespielt.

Nachdem sie das „Colossal Cave“ Adventure beendet hatten, mussten sie feststellen, dass es nur wenige weitere Spiele dieser Art gab. Roberta Williams mochte das Konzept eines Textabenteuers sehr, aber sie dachte, dass Spiele mit unterstützender Grafik eine ganz andere Erfahrung sein würden und begann damit, ein eigenes Spiel zu entwerfen. Daraus entstand „Mystery House“, das erste grafische Abenteuerspiel. Die Handlung war eine Detektivgeschichte, die von Agatha Christies „And Then There Were None“ inspiriert war.

Obwohl Ken glaubte, dass der Spielemarkt gegenüber dem Markt für professionelle Software geringere Wachstumsraten haben würde, gründete er 1980 gemeinsam mit seiner Frau die Firma „On-Line Systems“ (1982 in „Sierra On-Line“ umbenannt). Ken verbrachte nun einige Nächte damit, das von Roberta designte Spiel auf seinem Apple II mit 70 einfachen, zweidimensionalen Zeichnungen von Roberta umzusetzen.

Die Software wurde in Frischhaltebeuteln verpackt, die jeweils eine 5¼-Zoll-Diskette und eine fotokopiertes Spielbeschreibung auf Papier enthielten. Ken brachte die Spiele noch persönlich in die lokalen Softwareläden in Los Angeles County und überzeugte die Besitzer davon, sie zum Erstveröffentlichungspreis von 24,95 US-Dollar zu verkaufen. Zu ihrer großen Überraschung war „Mystery House“ ein enormer Erfolg und wurde schnell zu einem Bestseller. Am Ende wurden mehr als 10.000 Exemplare verkauft, was für die damalige Zeit ein Rekord war.

Die Grafikroutinen und Steuerung wurden mit jedem weiteren Spiel ausgefeilter. Zunächst wurden die Bilder farbig, dann nicht mehr nur Beiwerk zum Text, sondern man konnte die Spielfigur im Bild selber steuern. Dies war 1984 in „Kings Quest“ zum ersten Mal der Fall, welches von Roberta Williams im Auftrag von IBM für den PCjr. designed wurde. „Kings Quest“ entwickelte sich zur wohl bekanntesten Serie der noch jungen Firma.

Es folgten etliche weitere Adventurespiele – u.a. „Leisure Suit Larry“, „Space Quest“ und „Police Quest“, die das Genre weiter definierten und Sierra zu einer mächtigen Firma wachsen ließen. 1996 wurde die Firma letztlich an „CUC International“ verkauft. Ken Williams verließ Sierra ein Jahr später nach etlichen Umstrukturierungen, seine Frau Roberta blieb noch bis 1999 als Produzentin bei Sierra, bevor auch sie sich in das Privatleben zurückzog.

Ab 1999 stoppte „Sierra On-Line“ auch die meisten Eigenentwicklungen und arbeitete fast ausschließlich als Publisher. 2002 erfolgte eine erneute Umbenennung in „Sierra Entertainment“. 2008 wurde Sierra zunächst zu einem Markenname innerhalb der „Activision Blizzard“ Unternehmensgruppe degradiert und letztendlich komplett eingestellt. Erst 2014 reanimierte Activision den Namen und begann, ein paar der alten Spiele neu zu veröffentlichen.

Ken und Roberta verbringen heute die meiste Zeit auf ihrer Yacht und umrunden die Welt.

Apropos: Die meisten Klassiker können mittlerweile online, direkt im Browser, gespielt werden.

Mystery House: https://archive.org/…/Hi-Res_Adventure_1_Mystery_House_1980…

Diverser andere Klassiker: http://sarien.net

Mehr über die frühen Tage von Sierra (und anderen) gibt es in Steven Levys buch „Hacker: Heroes of the Computer Revolution“ – das es nun auch als Audiobook gibt:
https://www.amazon.de/Hackers-Computer-Revolut…/…/0141000511

Der Youtube-Channel „Halt and Catch Fire“ beleuchtet die Sierra History im Detail in einer Folge:
https://www.youtube.com/watch?v=llNFy0uVmbc

„You have a feeling you shouldn’t have pressed that red button.“

.falk/.stefan

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