Frankfurter Straße 13-15, 63065 Offenbach am Main
Jeden Samstag von 11:00 bis 17:00 Uhr geöffnet
Das Mitmach Computermuseum in Offenbach

Was ist digitale Kultur?

DRP e.V. für ein Museum der digitalen Kultur im Rhein-Main-Gebiet. Das Mitmach Computermuseum in Offenbach.

Digitales Vergessen
Vielleicht wird man sich bereits in 100 Jahren fragen, wie wir, die Menschen der Gegenwart, überhaupt gelebt haben. Jahrtausende alte Schriften, die in Stein gehauen wurden, haben Kriege, Katastrophen und Kulturen überlebt – auch Bücher aus Leder, Pergament oder schnödem Papier, überdauerten die Jahrhunderte und gewähren uns heute einen Einblick in das damalige Leben, Gesellschaft, Politik, Wissenschaft und Kunst.

Und heute?
Jeder Arbeitsplatzrechner hat die Speicherkapazität von Milliarden Steintafeln und zig hunderttausenden Büchern, die alle bei einem kleinen Defekt unrettbar verloren sind.

Aber selbst wenn man heute eine Festplatte, eine Bluray-Disc oder einen USB-Stick mit dem Backup der Familienphotos in einen Tresor legt, so werden bereits unsere Enkel nicht mehr ohne weiteres in der Lage sein, sich diese Bilder anzusehen. Die Festplatten finden keinen geeigneten Anschluss am PC, für die Bluraydiscs wird es längst keine Laufwerke mehr geben und auch USB-Sticks werden nicht mehr an den Rechner passen.

Kann Ihr aktueller Computer Ihre Dokumente lesen, die Sie vor 20 Jahren ihrem DOS-PC anvertraut haben? Moderne Rechner haben kein 3,5 Zoll-Diskettenlaufwerk mehr, geschweige denn eines für die damals weitverbreiteten 5,25 Zoll Disketten, oder die noch größeren und älteren 8 Zoll Disketten. Erinnern Sie sich noch an Datenträger mit dem Namen Zip, LS120, QIC, DDS, MO oder Microdrive (Sinclair / IBM)?

Unsere Enkel
Sollten es die Enkel aber doch schaffen, die Datenträger irgendwie an den Rechner anzuschliessen, so werden die Betriebssysteme der Zukunft die Dateisysteme und die Bilderdaten längst nicht mehr auslesen können. Es wird so sein, als ob die Daten in einer fremden, längst vergessenen Sprache geschrieben wären. Kennen Sie noch die Kodak Photo-CD oder Formate wie aml, lbm oder msp?

 

Vielleicht haben Sie im Album noch Bilder Ihres Urgroßvaters? Diese können Sie jederzeit und ohne Hilfsmittel ansehen. Stellen Sie sich vor, er hätte die Bilder mit einer Art Digitalkamera gemacht und auf einer Schelllackplatte oder einer Wachstrommel abgespeichert – Sie hätten dann heute die gleichen Probleme wie sie Ihre Kinder mit Super-8-Filmen haben und Ihre Enkel mit Digitalkamerabildern haben werden. Es wird schlicht kein Abspielgerät mehr geben oder zumindest niemanden, der ein vorhandenes noch reparieren könnte.

 

Das Internet vergisst nicht?
Wir hören auch oft: „Das Internet vergisst nichts!“. Das tut es nur sehr kurzfristig nicht, wie jeder merkt, der im Datenmeer nach technischen Unterlagen, oder Berichten aus erster Hand zu politischen, oder gesellschaftlichen Ereignissen sucht. Geht man nach dem Internet, so existiert die Menschheit erst seit 10 bis 15 Jahren – alles was davor geschah, findet man nur noch als später niedergeschriebene Berichte. Zeitgenössische Artikel aus den 90er Jahren und früher haben es kaum in das weltweite Netz geschafft.

Rettungsbemühungen
Mittlerweile gibt es Bestrebungen, wie das Projekt Gutenberg, alte Schriften in die digitale Welt zu retten, aber sind die daraus erstellten Dateien auch wirklich sicher? Werden die Computer in 100 Jahren diese Dateien überhaupt noch lesen können?

Selbst wenn die Daten noch physikalisch lesbar wären und nicht durch Alterungserscheinungen auf dem Medium unrettbar verloren sind, so mangelt es immer an den Lesegeräten, denn diese wurden meist dem Recycling zugeführt.

So nah und doch so fern
Der Erhalt der Computer vergangener Epochen, die nicht einmal 15 Jahre her sind, ist wichtig, wenn man erfahren will, wie es sich im Büro mit diesen Geräte arbeiten lies. Fühlte sich Windows 95 mit vier Megabyte Arbeitsspeicher genauso schnell an, wie ein aktuelles Windows mit vier Gigabyte, also der tausendfachen Kapazität? In der Erinnerung bestimmt, aber wie kann man da sicher sein?

Wer kennt und beherrscht noch OS/2, BeOS, Amiga OS, Windows 2.0 oder auch nur DOS?

 
 

Spielen
Wie sahen Videospiele vor vierzig Jahren aus? Bereits unsere Kinder kannten kaum noch einen Röhrenfernseher, die zu unserer Kindheit noch keine Farbe hatten und eher ein rundes, als ein eckiges Bild hatten.

Surfen
Wie kommunizierten die Leute auf elektronischem Wege in der Ära vor dem World Wide Web und schnellen Breitbandinternetzugängen? Gab es ein Leben vor VDSL? Was bedeuten die Begriffe Baud, DFÜ, Datex-P, Datex-J und BTX? Was ist ein Telex gewesen?

Telefonieren
Wie bedient man ein Wählscheibentelefon? Auf unseren Ausstellungen kannten zwar viele Kindern noch das Grundprinzip der Wählscheibe, aber dass man zum Wählen vorher den Hörer abnehmen musste, war keinem Kind klar.

Die Telefontechnik lässt sich beim Blick in ein altes Wählscheibentelefon vortrefflich erklären, aktuelle Telefone bestehen aus kleinen schwarzen Chips und ein paar anderen Bauteilen, die man nur mit der Lupe identifizieren kann.

Die kommenden Generationen werden Technik, die uns noch selbstverständlich erscheint nur noch aus dem Fernsehen kennen. Einfache Dinge, wie die Bedienung eines Telefons ohne Tasten, eines Computer ohne Maus (bzw. ohne Touchscreen), oder einer Kamera mit Film, stellen die heutige Generation vor schier unlösbare Rätsel.

Verlorenes Wissen
Wussten Sie, dass selbst die NASA heute nicht mehr in der Lage wäre, eine Saturn V-Rakete, die die ersten Menschen zum Mond brachte, nachzubauen? Diese Behörde, Speerspitze des technologischen Fortschritts, hat massive Probleme die alten Magnetbänder der historischen Rechner auszulesen, auf denen die Pläne und technischen Parameter gespeichert sind.

Vor einigen Jahren wurden Ersatz-Prozessoren für das Spaceshuttle gesucht. Niemand in der Behörde hatte daran gedacht, ausreichend Ersatzchips auf Lager zu halten und die Firma Intel fertigte diese Chips seit vielen, vielen Jahren nicht mehr. Gebrauchte Chips erfüllten nicht die hohen Anforderungen, die an sie gestellt wurden und der Hersteller konnte Ersatz nicht für Geld und gute Worte in gleicher Technologie nachfertigen.

 
Quelle: NASA

Hundejahre
Es war ein Dilemma, das deutlich zeigt, dass Informationstechnologiejahre mit Hundejahren gleichzusetzen sind. Ein Jahr im normalen Leben entspricht mindestens sieben Jahren in der IT. Einen Homecomputer der Achtziger Jahre kann man daher problemlos mit einer der ersten Dampflokomotiven vergleichen: Spätestens wenn man ein Ersatzteil benötigt, oder auch nur wissen will, wie man die Lok bedient, hat man Probleme.

Noch kann man jedem Interessierten die Bedienung und Reparatur eines alten Heimcomputers direkt am Original (man spricht neudeutsch von „hands-on“) erklären – es im Wortsinne erfahrbar machen.

Im gesamten Bundesgebiet gibt es nicht einmal eine Handvoll Museen, welche sich ernsthaft auch nur am Rande mit dem groben Themenbereich Computer- und Videospiele und ihre Auswirkungen auf die Popkultur und das gesellschaftliche Leben auseinandersetzen. In den wenigsten darf man aber die Exponate berühren, geschweige denn einschalten und benutzen.

Die digitale Revolution
Es war Ende der 70er Jahre, als die ersten Mikrocomputer die Firmen, Schulen und Haushalte eroberten. Belächelt, ignoriert, gefeiert oder gar gefürchtet, war ihr Siegeszug aber nicht aufzuhalten – sie läuteten das Computerzeitalter für Jedermann ein.

Aber wo sind sie alle hin, die vielen billigen Commodores, Ataris, Schneiders und Sinclairs der Prä-PC-Ära? Als das Wort „Kompatibler“ nur IBM-PC bezeichnete und jedes neue Computersystem selbstverständlich nichts mit den Programmen und dem Zubehör der Vorgänger anfangen konnte. Die meisten landeten – und landen noch immer – schlicht auf dem Müll. Ungeliebt, vergessen und verstossen sind sie dem Fortschritt zum Opfer gefallen.

Für viele Mittvierziger ist der Commodore 64 immer noch kein erhaltenswertes Gerät, sondern nur ein alter Computer – wenn sie nicht aus nostalgischen Gefühlen an ihm hängen. Jüngere bezeichnen diesen Computer als „Tastatur“ und suchen vergeblich den dazugehörigen Minitower unter dem Schreibtisch. Das Konzept eines Tastaturcomputers ist ihnen fremd.

Ein Fehler, denn gerade zu Ausbildungszwecken sind die alten Computer, die nicht über eine grafische Oberfläche mit Maus verfügen, ungleich geeigneter als Windows, Mac OS oder Linux. Mit einfachen Befehlen kann man hier einzelne Bits ändern und direkt beobachten, was dies auf dem Bildschirm bewirkt.

Fast vergessene Popkultur
Auf unseren Ausstellungen erleben wir immer wieder, dass gerade die Jüngsten begeistert vor den ältesten Geräten sitzen und sie nicht für Elektronikschrott halten. Diese Begeisterung lockt dann die Eltern an, die plötzlich leuchtende Augen bekommen und von „den guten alten Zeiten“ schwärmen, obwohl sie gerade mal Mitte dreissig sind.

Wer kennt denn z. B. heute noch Arcadeautomaten? Das waren die kühlschrankgroßen Spielautomaten mit einem Röhrenmonitor im Inneren, die seit den Siebziger Jahren in allen Eisdielen und Imbissbuden standen, aber Ende der 80er ihr Ende durch PC- und Playstationspiele fanden.

Viele Automaten waren kleine Kunstwerke der Popkultur, reich verziert mit großflächigen Bildern auf den Seiten und der Front. So einfach die Spiele waren, so sehr ziehen sie noch heute Jung und Alt in ihren Bann und lassen jeden tief in die Vergangenheit eintauchen. Namen wie Frogger, PacMan und Donkey Kong kennt auch heute noch – aus gutem Grund – jedes Kind. Nur mit dem Wissen um deren Ursprünge ist es schlecht bestellt, dabei sind nur weinige Jahre seit den ersten Pong-Automaten verstrichen.

Aber auch davor gab es bereits Automaten, auf denen der Spieler heisse Rennen fahren oder aufregende Abenteuer im Weltraum erleben konnte – nur funktionierten diese rein mechanisch und hatten teils reale kleine Spielfiguren.

Diese mechanischen Wunderwerke fanden ihren Ursprung in den Flipperautomaten, die aus den heutigen Gaststätten auch fast völlig verschwunden sind. Wartungsintensiv und teuer in der Herstellung und dem Betrieb, wurden sie nach und nach von elektronischen Unterhaltungsgeräten verdrängt. In der tristen Gegenwart starrt der Gast passiv auf eine Bundesligaübertragung auf einem Bezahlsender und wirft nebenher sein Geld in einen Geldspielautomat – und das nennen wir dann Fortschritt.

 
  

Nicht erhaltenswert?
Homecomputer, Videospiel, Arcadeautomaten und Flipper erscheinen den meisten Menschen als nicht erhaltenswert, denn sie sind in deren Vorstellung zwar alt, aber eben nicht antik. Aber genau da kommen wieder die Hunde- oder IT-Jahre in’s Spiel: Diese Geräte sind aus technischer und kultureller Sicht antik, sie sind Zeitzeugen einer vergangenen und nicht wiederkehrenden Epoche.

Das Tolle daran ist, dass sie auf vielfältige Weise mit dem Besucher sprechen können. Ohne Worte benutzen zu müssen, vermitteln sie das Gefühl, wie es damals wirklich war. Bei keinem anderen originalen Museumsstück tritt dieser Effekt so klar auf: Kinderzimmer, Büros und Eckkneipen längst vergangener Zeiten werden zum Leben erweckt und sind mit allen Sinnen zu erfahren und zu begreifen. Kaum jemand vermag sich dem zu entziehen, vor allem, wenn viele dieser Geräte in einem Raum stehen, die entsprechende Geräuschkulisse machen und den Raum durch tausende kleiner Glühbirnen und Leuchtanzeigen erhellen.

Die Videospielkultur ist mittlerweile fester Bestandteil der Gesellschaft geworden und hat viele andere Bereiche in Technik, Kunst und Kultur inspiriert und beeinflusst. Sie nicht ernst zu nehmen hiesse das eigene Wesen zu verleugnen, denn schliesslich ist der Spieltrieb seit frühester Kindheit jedem Menschen eigen.

Man sagt: Man könne den Menschen beim Spiel am besten kennen lernen; seine Leidenschaften zeigten sich da offen und wie in einem Spiegel. So habe ich auch gefunden.“
(Johann Wolfgang von Goethe) 

 
 

Bestrebungen zum Erhalt
Unser Verein will Technologie- und Kulturgeschichte für alle erfahr- und begreifbar machen. Die Exponate eignen sich durch die überschaubare Technik ideal dazu, aktuelle, komplexe Technik besser zu verstehen, denn die Grundprinzipien haben sich kaum geändert.

Zur Restaurierung der Geräte gehört auch die Datenrettung, -migration und Sicherung. Die Zeit drängt, denn digitale Daten sind flüchtig und kennen kein verblassen oder abblätternde Farbe. Wenn sie verloren sind, dann für immer. Das Erbe der digitalen Revolution steht auf dem Spiel.

Die Aufarbeitung und Bewahrung der Technologiehistorie ist massgebliche Voraussetzung, in einer immer komplexer und schneller werdenden Welt, die Wurzeln des Computerzeitalters zu verstehen und dadurch dessen Zukunft gestalten zu können.

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